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Ein Obstgarten zur HolzgewinnungUnter dem gleichnamigen Titel hat Karl Stoll bereits im Fructus Nr. 41 (Sept. 1996) einen kurzen Artikel über die Idee, Obsthölzer zum primären Zweck der späteren Holznutzung zu pflanzen, berichtet. Das Pionierprojekt, welches eine Investition im Zeitumfang von 2- 6 Menschengenerationen umfasst, ist nun mit der Bepflanzung von 40 Aren im November 1997 im thurgauischen Hörhausen, auf einer Höhenlage von 500 m.ü.M. realisiert worden. Gedankenentwicklung, Vorarbeiten und Sortenwahl: Der heute 44-jährige Grundstückbesitzer und Initiant, hatte schon während seiner Schreiner- lehre ein besonderes Interesse an einheimischen Edelhölzern entwickelt und sich damit sukzessive ein umfangreiches Lager angelegt. Das Sortiment umfasst insbesondere Birnbaum-, Apfelbaum-, Kirschbaum- und Nussbaumholz, sowie dasjenige der Sorbusarten Elsbeere, Speierling und Eibenholz. Inzwischen ist der daraus entstandene Holzhandel kleineren Umfangs ein Insider-Begriff für Schreinereien geworden, die vornehmlich individuelle Massivholz-Möbel aus einheimischen Edelhölzern fertigen. Nicht selten scheitern die Kundenwünsche an den begrenzten Stammlängen der Obsthölzer, oder die Konstruktion eines Möbels muss den Begebenheiten des Obstholzes angepasst werden. Die Symbiose aus Erfahrung aus der Holzverarbeitung und derjenigen aus dem Obst- und Waldbau - der Initiant betreut selber einen 60 Aren umfassenden sortenreichen Obstgarten und ein Stück Wald -hat Gedanken an das Heranziehen von längeren, astfreien Obstholz- stämmen reifen lassen. Ein Grundstück zwischen bestehendem Obstgarten und einem Bachgehölz gelegen, war vorhanden und bot ideale Voraussetzungen als Versuchsfläche. Nun stand die Frage der Sortenwahl im Vordergrund. Im Konzept stand zum Voraus folgendes fest: grosswüchsige, möglichst krankheitsresistente Apfel- und Birnensorten, zur Risikoverteilung nur je ca. 5 Bäume pro Sorte, auf Sämlingen veredelt.
Zwetschgenbäume der Sorte "Hauszwetschge!! (auch Basler oder Deutsche Zwetschge genannt) -weil diese unter den Zwetschgenbäumen das schönste Holz aufweist -veredelt auf Mirabollana. Kirschbäume -nur Waldkirsche -wiederum des schöneren Holzes wegen. Aus mindestens 4 Provenienzen -Verteilung des Risikos der Wuchsform. Nussbäume der Arten: Walnuss (Juglans regia) Schwarznuss (Juglans nigra) Hickorynuss (Carya ovata) Speierlinge und Elsbeeren, möglichst aus mehreren Provenienzen. Bei der Auswahl der Apfel- und Birnensorten wurden Ratschläge bei Fachleuten wie Kar! Stoll und Urs Müller, die beide über fundierte Kenntnisse alter Sorten verfügen, eingeholt. Als Obstbauberater an der Landw. Schule im thurgauischen Arenenberg kennt Urs Müller die Standorte alter Lokalsorten, die zum Teil in seinem Bericht im Fructus Nr. 41 genannt sind. Er hat im August 1996 in verdankenswerter Weise einen Grossteil der Reiser zusammengetragen. Als Nebeneffekt hat daraus die Nachzucht und der Erhalt alter Sorten, besonders bei den Birnen, resultiert. Okuliert wurden die Zwetschgenbäume in der Baumschule Kreis in Zihlschlacht, die Apfel- und Birnbäume bei Toni Sutter, Baumschule, in Dättwil / Baden. Weitere Pflanzenlieferanten waren die Forstbaumschule Josef Kressibucher in Ast / Berg TG, die Rhein Baumschulen in Buchs SG, das Forstamt Schaffhausen, die Baumschule C. Esveld in Boskoop Holland, Labhart Nussbaumkulturen in Steckborn und Bürgis Forstbaumschulen in Zeihen. Folgendes Pflanzmaterial stand im Herbst 1997 zur Verfügung: (Okulierte Sorten als einjährige Veredelungen) Birnen: 70 Bäume:Reinholzbirne, Egnacher Spitzbirne, Welscher-Bergler, Goldschmeckler, Herbstgüetler, Guntershauser, Eierbirne, Sülibirne, Wagners Wildbirne, Schweizer Wasserbirne, Ottenbacher Schellerbirne und Einzelbäume von: Gellerts Butterbirne, Goldbächler, Schweizer Hosen, Martin sec panache, Stuttgarter Gaishirtl Sept-en-geule. Äpfel: 68 Bäume:Schneiderapfel, Bohnapfel, roter Boskop, Gravensteiner, Wädenswiler Blauacher, Menznauer Jäger (Roter Bellefleur), Riegler Apfel, Rubinola, Rayka, roter Damason (Lederapfel), Bedfordshire Foundling
und Einzelbäume von : Bramley's Seedling, Oberrieter Reinette, Oetwiler Reinette, Jakobs Lebel, Usterapfel, Fraurotacher, Seidenapfel, Vista Bella, Priam, Horneberger Pfannkuchenapfel, Äugstler, Chüssenrainer, Api rose, Api etoile, Leuenapfel, Nägeliapfel, Wilerrot, Ananas Reinette, rote Sternreinette, Himbeerapfel. Zwetschgen: 63 BäumeHauszwetschgen Nussbäume: 30 Bäume:Walnuss, Schwarznuss Hickorynuss Waldkirschen: 65 BäumeProvenienzen: Bayrischer Wald, Schwarzwald, Odenwald, Süddeutschland Speierlinge: 32 PflanzenElsbeeren : 25 PflanzenVogelbeeren: 6 PflanzenApfelwildling oder -Sämling: 40 PflanzenBirnenwildling oder -Sämling: 48 Pflanzen Pflanzung: Bezüglich des Pflanzenabstandes wurden viele Überlegungen gegenübergestellt und durch Messen der Kronendurchmesser grosser Bäume der Platzbedarf verglichen. Rein praktischer Nutzen hat zu einem Reihenabstand von 3.2 m geführt (2 Balkenbreiten des vorhandenen Motormähers). Der Abstand der veredelten Pflanzen in der Reihe wurde mit 5 m gewählt. Dazwischen stehen durchmischt Apfel- und Bimenwildlinge oder -Sämlinge, Waldkirsch- bäume, Elsbeeren oder Speierlinge. Die einzelnen Früchtesorten sind gruppenweise gepflanzt, unter Berücksichtigung der Bodenverhältnisse bezüglich Feuchte und klimatischen Einflüssen. Da das Gelände gegen das Bachgehölz leicht abfällt und sich am tiefsten Punkt im Winter die Kälte ansammelt, wurden die frostresistenten Birnbäume im tiefstliegenden, die frostempfindlichen Apfelbäume im oberen Teil, die Zwetschgenbäume in der etwas feuchteren Mulde und die sehr frostempfindlichen Nussbäume, die ihren Ursprung in etwas wärmeren Gebieten haben, an der sonnenexponierten trockenen Kuppe gepflanzt. Erst während der Pflanzung wuchs die Idee, die Pflanzenabstände von 2.5 m nochmals zu halbieren durch Einpflanzung von Weiss- und Nordmannstannen, die innerhalb der nächsten zehn Jahre als Christbäume vorgesehen sind. Solange sollte für deren Wuchs noch genügend Licht vorhanden sein. Miteinbezogen in die Nachpflanzung wurden im Frühjahr 1998 auf dem gesamten Gelände verteilt 50 Eiben, weiche als äusserst schattenverträglich und rar gewordene Baumart bis zur Schlagreife wachsen sollen. In die zur Nachbarparzelle nächststehende Reihe, in der vorwiegend Zwetschgenbäume stehen, wurden die Zwischenräume mit Kornelkirschen (Cornus mas) bepflanzt, nachdem der Initiant erfahren hatte, dass dieser Strauch äusserst hartes, schweres und wertvolles Holz produziert, das in Frankreich sogar als Nutzholz auf Sägereien eingeschnitten werde. In dieser Randreihe stehen noch einige Wildobstpflanzen wie Holunder, Haselnuss, Heidel- und Brombeere, Felsenbirne, Mispel und die sich als besondere Vitaminlieferanten auszeichnenden Rosa rugosa, Sanddorn und Mährische Eberesche. Die recht engen Pflanzabstände sollen bewirken, dass die Bäume, anders als freistehende, zum Höhenwachstum gezwungen werden, um somit gute Voraussetzungen für lange, gerade Stämme zu schaffen. Durch sukzessives Aufasten soll beste Holzqualität erzeugt werden. Als Zielvorgabe für astfreie Stammlängen wird angestrebt: 2 - 3 m bei der Kornelkirsche 3 - 4 m bei Apfel- und Zwetschgenbäume 5 - 8 m bei Eibe, Nuss- und Birnbäumen 7 -10 m bei Eisbeere und Speierling
Voraussichtliche Schlagreife im Alter von ca. : Kornelkirsche und Zwetschgenbaum 30 - 45 Jahre Wirtschaftliche Aspekte: Das bisher für landwirtschaftliche Zwecke verpachtete Land brachte einen jährlichen Pachtertrag von Fr. 400.-, hochgerechnet auf die nächsten hundert Jahre Fr. 40'000.-- Der voraussichtliche Stammholzzuwachs dürfte auf den 40 Aren ca. 2,3 m3 / Jahr betragen, in hundert Jahren also 230 m3. Da es sich bei der Bepflanzung ausschliesslich um rare Edelhölzer handelt für die auch künftig ein grosser Nachfrageüberhang bestehen dürfte und somit für gute Rundholz- qualitäten nach heutigem Preisstand m3 - Preise von Fr. 400.- bis Fr. 1'500.-- für Sägerundholz Fr. 1 '000.- bis Fr. 5'000.-- für Furnierrundholz zu lösen sein müsste, ergibt sich minimal bis optimal folgender Durchschnittsertrag: 230 m3 a Fr. 400.-- Fr. 92'000.-- 230 m3 a Fr. 1'500.-- Fr. 345'000.-- a Fr. 400.-- a Fr. 1'500.-- In beiden Fällen ein mehrfacher Pachtertrag! Sofern sich die Rundholzprodukte (Schnittholz und Furniere) vom Urproduzenten selbst vermarkten lassen, darf durch die Wertschöpfung der ersten Verarbeitungsstufe der Erlös ungefähr vervierfacht werden! Die grossen zusätzlichen Aufwände für die Lohnbearbeitung, die Zwischenlagerung und die Vermarktung müssten jedoch bei einer Gewinnrechnung sorgfältig eruiert werden. Umwelteinflüsse wie Krankheiten (z.B, Feuerbrand), starke Fröste (als Folge Frostrisse und Ringschäle, insbesondere beim Apfel-, Nuss- und Zwetschgenbaum) und Stürme können einen grossen Strich durch die Rechnung machen. Diese Überlegung war mit ein Grund, einen heterogenen Baumbestand zu pflanzen, um damit das Risiko möglichst klein zu halten. Pflegeaufwand: Bis sich das Kronendach der Jungbäume verdichtet und der Graswuchs durch weniger Lichteinfall geringer wird, muss regelmässig gemäht oder noch besser gemulcht werden. Mit dieser Massnahme werden vor allem die Wühlmäuse ferngehalten. Die grössten Schäden an den Jungbäumen können durch Rehverbiss oder Fegeschäden der Böcke und Wurzelfrass der Mäuse angerichtet werden. Der von der früheren Beweidung durch Schafe bestehende Gitterzaun war zuwenig hoch, so dass ein Einzelbaumschutz gegen Rehe nötig wurde. Selbst bei regelmässigem Grasschnitt ist eine periodische Kontrolle über den Mäusebefall unabdingbar. Wurzeln von Apfel- und Birnbäumen, vor allem aber diejenigen des Speierlings, scheinen eine besondere Delikatesse für die Nagetiere zu sein. In den ersten Jahren ist ebenso den Jungtrieben auf Blatt- und Schildlausbefall Beachtung zu schenken. Einige Arbeit fällt durch das Aufbinden der Mitteltriebe an. In der ersten und zweiten wachs- tumsperiode zeichneten sich insbesondere die Kirsch- und Wildbirnbäume und die Guntershauserbirne durch grosses Höhenwachstum aus und die schlanken Stämmchen vermochten die Krone nicht immer selbst zu tragen. Die veredelten Bäume wurden nach der Pflanzung nicht zurückgeschnitten. Bei ihnen wurde im zweiten Standjahr eine Verlängerung des Pfahles durch einen Bambusstab nötig, denn sie hatten bereits Höhen von 2 ½ - 3 ½ m erreicht. Die späteren Pflegearbeiten werden sich auf die regelmässige Aufastung, im fort- geschrittenen Stadium auf die Durchforstung beschränken. Schlussgedanken: In wenigen Jahren werden bereits einige Rückschlüsse über die gesetzten Ziele des Pionierprojektes und entsprechende Empfehlungen über Sorten- und Baumarten- Zusammensetzung möglich sein. Durch die derzeitige Strukturänderung in der Landwirtschaft stünden bestimmt genügend, bisher marginal genutzte Flächen zu weiteren ähnlichen Bepflanzungen zur Verfügung. Sogar ausgesuchte Parzellen im Waldbau mit Obsthölzern aufgeforstet, sind vorstellbar. Unsere heutige ausgeräumte Landschaft würde durch das Neuanlegen von Hecken mit Busch- und Obstholzbestand verschiedenenorts gewinnen. Nicht nur das Landschaftsbild sondern auch der Natur- und Vogelschutz gingen als Profiteure hervor und gleichzeitig könnte einer genetischen Vielfalt im Bereich der Obstsorten zum Überleben verholfen werden. Genetische Eigenschaften alter Sorten, die den heutigen Produktions- und Konsumgewohnheiten nicht mehr genügen, gewinnen neue Bedeutung. Für den primären Zweck der Holzproduktion sind sie den neuen Kultursorten weit überlegen. Die meist kleinen Früchte könnten als Wildfutter dienlich sein. Zur Realisierung des beschriebenen Projektes gehört eine tüchtige Portion Idealismus, denn langfristiges Denken hat in unserer kurzlebigen Zeit wenig Raum. Heinrich Gubler |
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