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Die gewerbliche Obstverwertung im Kanton Thurgau
Ein flüchtiger Blick auf die Verhältnisse im
Kanton Thurgau lehrt, dass die gewerbliche Obstverwertung in diesem Landesteil
zur Hauptsache in den Händen genossenschaftlicher Betliebe liegt. Nach einer
von der Eidgenössischen Alkoholverwaltung gemachten Erhebung, in die 49
thurgauische Mostereien miteinbezogen wurden, verteilte sich die gesamte
Lagerfassung wie folgt auf die verschiedenen Firmentypen : Im Handelsregister nicht eingetragene Firmen 8’121
hl Einzelfirmen 45’504 hl Kollektiv- und Kommanditgesellschaften 36’035 hl Genossenschaften 214’238 hl Aktiengesellschaften 14’448 hl Auf die genossenschaftlichen Mostereien entfallen also
nahezu 70% der gesamten Die soeben festgehaltenen Tatsachen drängen
eine Frage auf: Welche Umstände führten zur genossen schaftlichen
Obstverwertung ?
Der Jubiläumsbericht einer Zürcher Genossenschaft
gibt uns wertvollen Aufschluss über die Gründe, die zur Ergreifung von
Selbsthilfemaßnahmen führten : Im letzten Jahrhundert noch hielt man in den Obst- und
Weinbaugegenden Wein bzw. Obstwein, in Kirschengebieten den Branntwein als zur
Verpflegung ebenso notwendig und ebenso selbstverständlich wie etwa Brot, Käse
und Fleisch. Bis zum Aufkommen der Bahnen und damit eines wesentlichen Importes
von Gärgetränken wurden sie ausschließlich im Inland erzeugt. Schon in den 70er Jahrenhatte man aber in der Schweiz. Offenbar dank unserer
Verflochtenheit mit Deutschland, eine wesentliche Bierproduktion aufgezogen, die
z. B. im Jahre 1894 bereits mehr als die gesamte Inlandwein- und mehr als die
Obstsafterzeugung betrug. Als weitere Konkurrenten der Inlanderzeunisse folgten
rasch auf den internationalen Bahnlinien aus Spanien, Italien, Frankreich und
zeitweise aus Oesterreich- Ungarn
die Fremdweine, die Fremdtrauben und vor allem die Trockenbeeren und
Trockenbeerweine (Kunstweine). 1892 bis 1902 traf es pro Kopf im Jahr 26 Liter
Most, 80 Liter Wein, 57 Liter Bier. Der Staat handelte damals auf Kosten der
Inlandproduktion für die Industrie wesentliche Handelsvertragsvergünstigungen
aus. Unter den im erwähnten Jubiläumsbericht gechilderten Verhältnissen litt
natürlich der obstreiche Thurgau ganz speziell. In den ersten zwei Dritteln des
vorigen Jahrhunderts muss die Nachfrage nach Obst noch gut gewesen sein. Aus
jener Zeit stammt nämlich das geflügelte Wort: «Hast Du einen Raum, so pflanze einen Baum.»
Aus den 70er Jahren erhalten
wir Kunde von den ersten Krisenerscheinungen, die sich bis zur Jahrhundertwende
immer unangenehmer bemerkbar machten. Während zu jener Zeit immer etwas Mostäpfel
nach Deutschland exportiert werden konnten, bestand ein starkes Ueberangebot an
Birnen. In den Einiges aus der Geschichte der genossenschaftlichen
Obstverwertung In Jahre 1899 forderte Moritz Stähli, Egnach, mit
beredten Worten die genossenschaftliche Obstverwertung. Am 13. Juli 1900
erfolgte die Gründung der ersten Obstverwertungsgenossenschaft durch die
Egnacher. Das Vorgehen war insofern typisch thurgauisch, als das Unternehmen
nicht sofort im großen Stil, sondern vorerst einfach und bescheiden, sozusagen
als Tastversuch, aufgezogen wurde. Die Gründung dieser Genossenschaft muss
nicht nur landwirtschaftlich, sondern allgemein von Bedeutung gewesen sein, denn
dem Initiativkomitee gehörten verschiedene Nichtlandwirte -wovon drei Anklang. Innerhalb weniger Jahre erfolgten Gründungen weiterer
Obstverwertungsgenossenschaften: Bischofszell 1951, Oberaach 1908, Horn 1910, Märwil 1910, Scherzingen 1911. Die
jungen Genossenschaften wollten aber nicht nur durch Obstverarbeitung und
Tafelobsthandel ihren Mitgliedern dienen, sondern wandten sich bald auch der
Vermittlung landwirtschaftlicher Hilfsstoffe zu. Das Streben nach einem gewissen
Risikoausgleich, nach einer Beschäftigungsmöglichkeit für das Personal vor
und nach der Saison mag mitverantwortlich für diesen Schritt gewesen sein. In
den Jahren bis zum ersten Weltkrieg hatten die Obstverwertungsgenossenschaften
schwer zu kämpfen, trotzdem bereits Exporte nach Deutschland getätigt werden
konnten. Der Herbst 1911 brachte an verschiedenen Orten wegen der hohen
Obstpreise und niedrigen Safterlöse empfindliche Rückschläge, sodaßss sich Pessimisten veranlasst sahen, die
Liquidation zu fordern. Während dieser Zeit suchte man fieberhaft nach neuen
Obstverwertungsmöglichkeiten. Die Egnacher befassten sich 1913 mit dem
Gedanken, Obstsaftlimonade herzustellen. Die Idee, ein Kunstgetränk zu
schaffen, wurde dann aber doch wieder fallen gelassen. Dr. Böhi begann -ebenfalls
1913 -in Als 1918 die Lebensmittelnot groß war, konnten sehr gute Geschäfte mit
Trockentrester gemacht werden: 100 kg getrocknete Süsstrester kosteten 100 Fr.
In den Nachkriegsjahren gerieten die Mostereien in eine bedenkliche Krise. Deren
Ursache lag zur Hauptsache in 3 Gründen : Rückgang des Verbrauches an
einheimischen Erzeugnissen, da Einfuhren wieder möglich waren; Ungenügende Exportmöglichkeiten, weil
in Deutschland Inflation herrschte; Grosse Obsternten in den Jahren 1919 und
1922. Das Jahr 1920 brachte ein vermehrtes Angebot an
Schnaps (Ueberschussverwertung Verfassungsartikelbetr. die Alkoholgesetzgebung, was die Zu Beginn der 30er Jahre machte man einen
entscheidenden Schritt zur bessern technischen Ausrüstung der Betriebe: Die
alten Korbpressen mussten neuen Packpressen den Platz räumen. Das
neue Alkoholgesetz, das 1932 in Kraft trat, brachte rasch eine
Stabilisierung der Preise. In den folgenden Jahren erlebte die Süßmosterei
einen erfreulichen Aufschwung. Trotzdem zeigten die Geschäftsergebnisse rückläufige
Tendenz. In dieser Zeit wurden auch verschiedene Trestertrocknungsanlagen
erweitert oder neu erstellt. Während des 2. Weltkrieges mussten sich natürlich
auch die Mostereien ganz in den Dienst der Landesversorgung stellen. Die
ausbleibenden Kraftfuttereinfuhren gaben Anlass zum Bau von
Grastrocknungsanlagen. Der industrielle Anbau von Land musste übernommen
werden. Verschiedene Betriebe beschafften sich neue Konzentrieranlagen. Die
Jahresabschlüsse zeigten eine erfreuliche Entwicklung der Geschäfte. Nach
Kriegsende sank leider die Nachfrage nach Obstgetränken Nach diesem Rückblick auf die Geschichte der
genossenschaftlichen Betriebe wenden wir uns wieder der gesamten
thurgauischen Obstverwertung zu. Für den Thurgauer Obstbau spielen die Exporte
eine ausschlaggebende Rolle. Private und genossenschaftliche Firmen haben sich
deshalb nach dem Krieg bemüht, wieder Die Vorteile der Kühlhauslagerung für Tafelobst wurden beizeiten erkannt und dementsprechend Anlagen
errichtet. Der Kanton Thurgau weist eine Kühlhauskapazität von 3400 Tonnen
auf, was genügt, um ca. 1/4 des in den letzten Jahren auf den Markt gebrachten
Tafelobstes einzulagern. Es befinden sich Kühlhäuser in Bischofszell, Egnach,
Horn, Märstetten, Romanshorn, Sitterdorf, Scherzingen, Tägerwilen, Weinfelden
und Zihlschlacht. Zur Verwertung von Obstüberschüssenstehen 9 Konzentrieranlagen mit einer ausgewiesenen
Leistung von 6’473 hl Saft in 24 Std. zur Verfügung. Besondere Bedeutung
kommt der Unipektin AG, in Eschenz, zu, da es sich um einen Betrieb handelt, der
speziell auf die Ueberschussverwertung ausgerichtet ist. Abschließend halten wir noch einige Zahlen fest, die
über die Leistungsfähigkeit der thurgauischen Mostereien Aufschluss geben : Lagerfassung für Gärmost
200’655 hl =
63 % für Süßmost
117’346 hl =
37 % total
318'346 hl =
100 % Der Anteil an der gesamtschweizerischen Lagerfassung dürfte
etwas mehr als ein Quellenangabe : Zahlen zur Charakterisierung der Struktur des Mosterei und Obstverwertungsgenossenschaft 50 Jahre Obstverwertungsgenossenschaft Egnach. (Jubiläumsschrift.) Die Entwicklung der Obi. (Schülerreferat an 50 Jahre Obst- und Weinbaugenossenschaft
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